Sturm-und-Drang-Zeit
Zum wiederholten Mal
sinnierte Niklas darüber, warum er denn eigentlich wieder auf dem
Weg zu seiner Ex war. Darauf kamen ihm immer die gleichen Antworten
in den Sinn: die Textnachricht, welche sie ihm geschickt hatte, war
überaus freundschaftlich wie schon seit längerem nicht mehr.
Überdies war es die erste Nachricht seit fast zwei Wochen gewesen,
woraus er schließen konnte, dass sie endlich halbwegs über die Sache
mit ihm hinweg war.
Es war Samstagabend und seine Freundin hatte ihn vor einer Woche
sitzengelassen. Er wusste momentan selbst nicht, ob sie noch seine
Freundin war oder nicht mehr... Seine wenigen Freunde in der Stadt
hatten für diesen Abend alle schon etwas vor. Und welcher Student
hat schon Lust auf einen Samstagabend alleine in seiner kleinen Bude
- noch dazu wenn er zwanzig Jahre alt und noch im ersten Semester,
seiner "Sturm-und-Drang-Zeit", ist? Eben.
Er versuchte sich Anja vorzustellen, versuchte jetzt, mit dem
Abstand von knapp zwei Monaten, das Positive in ihr zu sehen, jene
Dinge, die ihm damals am Anfang an ihr gefallen hatten. Er versuchte
es, doch immer wieder erschien stattdessen das Bild von Luise in
ihm, und der Gedanke an Luise erfüllte ihn geradezu körperlich -- er
fühlte ein leichtes Kribbeln im Bauch und bekam, ohne es selbst zu
registrieren, einen verträumten Gesichtsausdruck. Doch dann dachte
er an vergangenen Samstag und seine Züge verhärteten sich. Warum
konnte sie manchmal so gemein sein? Was hatte er ihr getan? Er
liebte sie doch...
Er gestand es sich nicht gerne ein, aber Anja war im Grunde seine
erste richtige Freundin gewesen. Sicher, es hatte schon in seiner
Jugendzeit das eine oder andere Mädchen gegeben -- Mitschülerinnen,
Mädels aus seinem Dorf, Ferienbekanntschaften, deren Namen er bald
darauf vergessen hatte. Allesamt sehr kurze und oberflächliche
Beziehungen, die ihm nicht zuletzt dazu gedient hatten, vor seinen
wenigen Kumpels als "normal" dazustehen.
In eine ähnliche Kategorie fiel auch sein erstes Mal, das er mit
sechzehn erlebt hatte -- betrunken auf einer Party, mit einem
Mädchen, das bald darauf als Dorfschlampe verschrien war. Dieses
erste Mal war bis vor ganz kurzer Zeit auch sein einziges geblieben.
Es war nicht so, dass Niklas sich nichts aus Mädels gemacht hatte --
aber er hatte hohe Ansprüche, und das nicht in erster Linie das
Aussehen betreffend.
Er selbst war äußerst intelligent - ein echter "Denker", wie sie ihn
schon in der Schule genannt hatten. Die Schwäche, unter der er
selbst am meisten litt, war seine Unentschlossenheit -- die
Unfähigkeit, sich für etwas zu entscheiden, ohne vorher stundenlang
darüber nachzugrübeln. Er liebte lange und tiefsinnige Gespräche
über Gott und die Welt, interessierte sich für Literatur und las
schon in seiner Jugendzeit gerne philosophische Texte.
In dieser Hinsicht lag Anja genau auf seiner Wellenlänge. Er war
gerade in die Stadt gekommen und hatte sie schon in seiner ersten
Woche an der Uni kennengelernt. Da die beiden fast dieselben Kurse
und Vorlesungen besuchten, sah er sie fast ständig. Sie waren bald
miteinander ins Gespräch gekommen, verstanden sich auf Anhieb sehr
gut, und unternahmen mit der Zeit auch außerhalb des Studiums immer
mehr Dinge gemeinsam.
Anja war brünett, mittelgroß und ein kleines bißchen pummelig, aber
auf eine "kompakte" Art, die sie keineswegs als dick erscheinen
ließ. Auffallend war ihre überdurchschnittliche Oberweite; was
Niklas aber am meisten an ihr faszinierte, waren ihre großen dunklen
Augen und vor allem ihr funkelnder, tiefer und doch auf eine gewisse
Art rätselhafter Blick. Manchmal spürte er direkt, wie sein Herz
schneller klopfte, wenn sie ihm auf diese gewisse, mit Worten nicht
zu erfassende Art in die Augen schaute. Er glaubte zuweilen sogar
etwas wie Lüsternheit in ihrem Blick zu erkennen. Später dachte er,
dass er sich da getäuscht haben musste.
Niklas stieg in die Straßenbahn, während er an die Anfangszeit mit
Anja dachte. Die Zeit kam ihm bereits wahnsinnig weit entfernt und
regelrecht unwirklich vor, obwohl sie in Wahrheit keine vier Monate
zurücklag. Anja hatte ihm gefallen. Er freute sich jeden Tag sie zu
sehen und verbrachte seine Zeit gerne mit ihr. In ihr hatte er auch
endlich eine Gesprächspartnerin auf seinem geistigen Niveau
gefunden. Mit Anja war ein fruchtbarer Gedankenaustausch, waren
zahlreiche philosophische und intellektuelle Diskussionen möglich --
sei es über Literatur, Philosophie, Kunst oder Weltpolitik.
Ihm war bald klargeworden, dass eine Liebesbeziehung zwischen ihm
und Anja sehr naheliegend, ja geradezu "aufgelegt" war -- beide
waren solo, im gleichen Alter, neu in der Stadt und im Studium, sie
hatten ähnliche Interessen, verstanden sich gut und verbrachten
ohnehin schon sehr viel Zeit miteinander.
Viele der Leute, die er nur flüchtig kannte, hielten die beiden
damals sowieso schon für ein Paar.
Doch so gern er Anja als gute Freundin mochte -- verliebt hatte er
sich nicht in sie. Und eigentlich war er mit der Situation, so wie
sie war, durchaus zufrieden.
Eine Zeitlang dachte er, dass auch Anja wie er empfand, doch bald
spürte er, dass sie mehr von ihm wollte und nur zu schüchtern war,
den ersten Schritt zu machen. Niklas war unsicher...
Schließlich kam der Abend bei Anja zuhause, den er in seiner
Erinnerung nur den "Rotwein-Abend" nannte, da die beiden, die sonst
wenig Alkohol tranken, damals zu zweit zweieinhalb Rotweinflaschen
geleert hatten.
Danach war es einfach passiert, nicht mit Pauken und Trompeten,
sondern ganz natürlich und selbstverständlich. Sie hatte begonnen,
ihn zu streicheln, er hatte sie umarmt - und irgendwann hatten sie
zaghaft begonnen, sich zu küssen.
Mehr war nicht passiert, doch es war klar, dass die beiden ab diesem
Abend zusammen waren -- jedenfalls für Anja. Während Niklas noch
immer nicht so recht wusste, was er von der Sache halten sollte,
schien Anja absolut glücklich zu sein. Für sie war alles klar: Die
beiden waren jetzt ein frisch verliebtes junges Paar, und
dementsprechend verhielt sie sich auch. Niklas spürte ihre Gefühle
für ihn, die jeden Tag stärker zu werden schienen, und eine Zeitlang
glaubte er, oder redete es sich zumindest ein, dass auch er in sie
verliebt sei. Er spielte das Spiel mit, schenkte ihr Blumen,
unternahm mit ihr romantische Spaziergänge in der Natur, erzählte
ihr persönliche Dinge aus seinem Leben, küsste sie und kuschelte mit
ihr. Kuscheln und küssen wollte Anja überhaupt zu jeder Zeit; sie
verlangte nach seiner Nähe so oft es möglich war. Niklas fragte sich
des öfteren, wie lange es wohl beim Kuscheln bleiben würde. Wie
immer war er unschlüssig und sich selbst einfach nicht im klaren
darüber, was diese Sache eigentlich bedeutete und wie sie
weitergehen sollte. Er mochte Anja nach wie vor sehr gerne, aber
sosehr er sich auch anstrengte, er konnte sie einfach nicht als
seine Geliebte betrachten.
Er ließ sich nichts anmerken, aber allmählich spürte er, wie Anja
ihn mit ihren Gefühlen zu erdrücken begann.
Während Niklas aus der Straßenbahn stieg, kamen immer mehr
Erinnerungen an die Zeit mit Anja hoch. Wie oft war er hier
ausgestiegen!... Und erneut fragte er sich, warum er es jetzt wieder
tat... Warum tat er sich das an, jetzt, nachdem alles überstanden
war?
Am Vormittag war ihre Textnachricht gekommen. "Hi Niklas, hast du
Lust heute Abend vorbeizukommen? Hab ein paar Leute eingeladen, wir
machen uns einen netten Abend. lg Anja"
Er hatte gleich zurückgerufen, und somit zum ersten Mal seit langer
Zeit ihre Stimme gehört. Sie klang munter und freundlich, so wie
damals bei ihren allerersten Begegnungen.
"Hey Niklas, schön dass du zurückrufst! Würde mich freuen wenn du
Zeit hast! Valentin kommt auch, und vielleicht eine Freundin von
mir, wir leihen uns ein Video aus und kochen etwas. Übrigens,
vielleicht könntest du mir dann auch ein paar Sachen erklären wegen
der Klausur nächste Woche..."
Anja klang wieder so wie die gute Freundin, als die er sie gerne
haben wollte. Er wusste, dass die Sache riskant war, doch er hatte
fast automatisch zugesagt. Und da er ein pflichtbewusster Mensch
war, der getroffene Verabredungen nicht gerne wieder absagte, dachte
er über diese Möglichkeit gar nicht nach.
"Valentin kommt auch..." - Valentin! Niklas musste schmunzeln.
Andere Mädchen hatten ihre beste Freundin, Anja hatte Valentin. Ein
"Frauenversteher", wie er im Buche stand. Anja kannte Valentin seit
Kindertagen, er war fünf Jahre älter als sie und lange vor ihr in
die Stadt gekommen. Er war Musiklehrer und nebenbei Schauspieler,
oder war das umgekehrt? Niklas hatte ihn mehrmals getroffen. Ein
Schönling, den Niklas von Anfang an für schwul gehalten hatte.
Allerdings ein ganz netter Kerl.
Als Niklas' Beziehung mit Anja dem Ende zuging, hatte sie ein paar
Mal versucht, ihn mit Valentin eifersüchtig zu machen. "Wenn du
morgen keine Zeit für mich hast, treffe ich mich halt mit Valentin!"
Gott, wie wenig hatte sie begriffen! Wie froh wäre er gewesen, wenn
sie sich wirklich in einen anderen Mann verliebt hätte, in einen,
mit dem es dann für beide Seiten gepasst hätte! Wieviele Gedanken,
Sorgen, Grübeleien hätte sie Niklas damit erspart!
Er machte sich auf den zehnminütigen Weg zu Anjas Wohnung und
sinnierte weiter über die vergangenen Wochen nach.
Im Bett war Anja eine totale Niete. Es war noch schlimmer als
erwartet, obwohl er auf einiges gefasst gewesen war. Dass sie noch
Jungfrau war, hatte sie ihm bald verraten. Von ihrer strengen
Erziehung und der einsamen Kindheit und Jugend auf dem Land wusste
er auch. Doch sie stellte sich bald nicht nur als unerfahren,
sondern als völlig verklemmt heraus.
Nach dem Rotwein-Abend dauerte es vier Wochen bis zur ersten
gemeinsamen Nacht, welche bis dahin mehrmals verschoben worden war
-- von Anja, die immer wieder eine Ausrede parat gehabt hatte.
Niklas wollte sie weder drängen noch unter Druck setzen, obwohl er
sich insgeheim öfters dachte 'Wenn ich schon mit einer Frau zusammen
bin, ohne glücklich damit zu sein, dann will ich wenigstens in einer
Hinsicht auf meine Kosten kommen...'
Doch er wartete ab.
Dann war es endlich soweit, und die Nacht wurde ein absoluter
Reinfall. Niklas bemühte sich um romantische Stimmung, auch Anja
schien diesmal bereit zu sein. Der Abend begann gut, das Essen
schmeckte, der Wein auch, ihre Küsse wurden immer länger, und
irgendwann lagen die beiden in Anjas Bett. Dann schien jedoch keiner
so recht zu wissen wie es nun weitergehen sollte.
Schließlich begann Niklas mit seinen Händen auf Entdeckungsreise zu
gehen. Die Hände wanderten unter die Decke, er spürte Anja mit
seinen Fingern, und begann sie schließlich dort zu reiben wo er es
für richtig hielt.
Anja lag völlig verkrampft da, reagierte einige Zeit gar nicht und
bat ihn schließlich aufzuhören: "Es ist mir einfach nicht angenehm,
ich brauche noch Zeit...".
Umgekehrt lief noch weniger: Anja weigerte sich nicht nur, Niklas'
Penis anzufassen, ja sie scheute sogar davor zurück, ihn auch nur
einmal anzusehen. "Ich brauche einfach noch Zeit..." - 'Verdammt
nochmal, Zeit wofür!?', dachte Niklas.
Es endete schließlich damit, dass er sich selbst einen runterholte
und in ein Taschentuch wichste, während sie die Hände um seinen Hals
geschlungen hatte und ihn mit ihren Küssen bedeckte -- Küssen, die
ihn mehr und mehr einschläferten -- und den Blick nach unten vermied
wie der Teufel das Weihwasser. Aber sie wollte kuscheln...
Diese verunglückte Nacht war der Anfang vom Ende. Es lag nicht nur
am sexuellen Misserfolg, vielmehr hatte dieser das Fass erst
endgültig zum Überlaufen gebracht. Allerdings war Niklas der
Einzige, der so empfand. Während er allmählich die komplette
Beziehung zu Anja als einen Irrweg zu begreifen begann und sich
dementsprechend zu distanzieren versuchte, klammerte Anja sich immer
mehr an ihn, rief ihn pausenlos an und klingelte fast täglich
unangemeldet an seiner Wohnungstür. Die Waagschalen ihrer Gefühle
füreinander, die ja von Anfang an nicht ausbalanciert gewesen waren,
gerieten nun in ein immer bedrohlicheres Ungleichgewicht.
Niklas bereute nichts so sehr wie den Rotwein-Abend. Hätte er damals
diesen Fehler nicht gemacht, dann hätte er jetzt und womöglich noch
für viele Jahre eine gute Freundin und Gesprächspartnerin, mit der
ihn viel verband, mit der er seinen Studienalltag teilte und auch
sonst vieles unternehmen konnte. So aber hatte er etwas, das ihm
regelrecht wie ein Geschwür vorkam, welches ihn immer mehr zu
überwuchern drohte, wenn er es nicht sobald wie möglich entfernte.
Und er wusste, dass das nur unter Schmerzen gehen würde.
Nun zeigte sich eine weitere Eigenschaft von ihm in deutlicher
Ausprägung: seine Konflikt-Unfähigkeit. Da er sie mochte und genau
spürte, wie viel er ihr bedeutete und wie viel sie für ihn empfand,
schaffte er es einfach nicht, mit klaren und deutlichen Worten
Schluss zu machen. Er machte Andeutungen, redete um den heißen Brei
herum, versuchte ihr das Ende klarzumachen indem er sich
demonstrativ abwendete und immer öfter "keine Zeit" hatte . Doch es
war wie der Versuch eine Klette abzustreifen. Anja verschloss die
Augen vor der Realität und hielt krampfhaft die glückliche
Pärchen-Idylle aufrecht, die es in Wahrheit nie gegeben hatte.
Irgendwann hasste er sie; er hasste ihre Worte, ihr Lachen und sogar
ihren Blick, der ihn am Anfang überhaupt erst auf sie aufmerksam
gemacht hatte. Er ekelte sich vor ihrem Körper, vor ihren feuchten,
einschläfernden Küssen und vor ihrer ganzen weinerlichen, klebrigen
Art.
Schließlich gipfelte doch alles in der großen melodramatischen
Szene, die er unbedingt hatte vermeiden wollen. Am Ende musste er
regelrecht vor ihr flüchten und ließ ein heulendes, verzweifeltes
Häufchen Elend zurück, das ihm, jede Selbstachtung aufgebend, nach
schluchzte: "Bitte bitte nicht! Bleib bei mir Niklas, wir gehören
zusammen! Ich mache alles für dich, bin jetzt auch für alles bereit,
aber bitte bitte bleib...!"
Niklas schauderte, wenn er an diesen Moment zurückdachte.
Mittlerweile hatte er Anjas Haus erreicht und begann die Treppen in
den dritten Stock emporzusteigen. Dass er damals überhaupt den Mut
gefunden hatte, mit Anja endlich Schluss zu machen, hatte er in
erster Linie Luise zu verdanken. Luise... Ach, wie er sie liebte!
Er hatte sie schon einige Tage vor dem endgültigen Ende mit Anja auf
einer Party kennengelernt, und es hatte sofort gefunkt. Noch am
selben Abend hatten die beiden wild herumgeknutscht, und Niklas
hatte erstmals gemerkt, was echte Leidenschaft war.
Luise war in allem das Gegenteil von Anja: offen, unkompliziert,
erfüllt von einer ansteckenden Lebhaftigkeit, und einfach in jeder
Hinsicht wahnsinnig süß... Luise nach Anja war wie das Erblühen des
Frühling nach der erdrückenden Schneelast des Winters - um ein etwas
poetisches Bild zu nennen, das Niklas selbst oft in den Sinn kam,
wenn er an die beiden dachte.
Natürlich, Luise war kein tiefsinniger oder gar grüblerischer
Mensch, aber genau das war es, was Niklas jetzt brauchte. Sie war
einige Jahre jünger als er, und ihre Jugendlichkeit schien sich auf
ihn zu übertragen. Er fühlte sich wie ein frisch verliebter
Teenager, und im Grunde war er ja auch zum ersten Mal wirklich
verliebt. Gemeinsam mit Luise war er zu jedem Unsinn bereit, und er
empfand zum ersten Mal das sprichwörtliche Gefühl, die ganze Welt
umarmen zu können. Die ganze Welt außer Anja, versteht sich.
Er hatte Luise bis ins Detail alles von seiner Geschichte mit Anja
erzählt, und mit ihrer seelischen Unterstützung schaffte er es
endlich, von Anja loszukommen.
Zwei Tage nach dem Trennungs-Drama begannen dann Anjas Anrufe, die
Niklas zunächst nicht entgegennahm. Dann kam er aber auf die Idee,
Luise abheben zu lassen, und diese klärte Anja in sachlichen Worten
über die neue Situation auf. Eine größere Demütigung kann es für
eine Frau doch nicht geben, dachte Niklas, und wirklich, die Anrufe
hörten auf. Doch stattdessen schrieb Anja ihm jetzt Textnachrichten
mit sehnsüchtig-verzweifeltem Inhalt, täglich bis zu zehn Stück.
Niklas löschte alle ohne sie zu lesen, aber er erzählte Luise davon.
Seit jener Zeit sah er Anja auch nicht mehr auf der Uni, woraus er
schloss, dass sie sich in ihrem Kummer nicht einmal mehr aus dem
Haus wagte.
Sie tat ihm leid, die ganze Sache tat ihm furchtbar leid, aber war
es denn seine Schuld?
Und er hatte Luise und war glücklich. Es war eine völlig andere Art
von Beziehung, die er mit ihr führte. Durch sie lernte Niklas auch
sich selbst von einer anderen Seite kennen und entdeckte Dinge, die
ihn bislang weniger interessiert hatten: Die beiden gingen viel aus
- Luise zeigte ihm das rege Nachtleben der Stadt - sie gingen
gemeinsam schwimmen, radfahren, und sogar ab und zu ins
Fitness-Studio. Was das Sexuelle betraf, so hatte auch Luise nicht
viele Erfahrungen, aber im Gegensatz zu Anja brannte sie darauf,
welche zu sammeln. Bald schliefen sie zum ersten Mal miteinander,
und es war wunderschön. Beide betrachteten es als ihr "richtiges"
erstes Mal.
Während der Textnachrichten-Strom von Anja an Niklas nach einer
gewissen Zeit allmählich versiegte, musste dieser erkennen, dass
auch mit Luise nicht immer alles eitel Wonne war.
Sie hatte ihre Launen, und diese konnten mitunter ziemlich heftig
ausfallen. Manchmal reichte ein kleiner Auslöser und sie bekam einen
regelrechten Anfall, wobei sie sehr verletzend werden konnte.
Einmal hatte sie sogar schon mehr oder weniger Schluss mit ihm
gemacht und sich dann eine Woche später doch wieder tränenreich
entschuldigt. Niklas liebte sie, und deshalb verzieh er ihr.
Doch nun war es schon zum zweiten Mal passiert -- er wusste gar
nicht mehr, was genau den Streit von vergangenem Samstag ausgelöst
hatte. Er wusste nur noch, wie sie grußlos abmarschiert war, wie er
den Abend heulend in seiner Wohnung verbracht hatte (und plötzlich
Anja viel besser verstand als zuvor), und wie Luise am nächsten Tag
am Telefon etwas von "ein bißchen Abstand" und "Zeit zum Nachdenken"
gesagt hatte.
"Bitte lass mich meine Gedanken ordnen. Ruf mich nicht an, ich werde
dich bald anrufen. Ich verspreche es dir."
Ach, die Frauen... Niklas verstand gar nichts mehr, aber er wusste,
dass er sehr verletzt war. Verletzt, aber nicht böse. Er konnte
einfach nicht böse sein, da er Luise so sehr liebte...
Und deshalb hätte er auch niemals zugegeben, dass sein heutiger
Besuch bei Anja auch eine kleine Rache an Luise war.
Niklas klingelte, und als er hörte, wie die Wohnungstür von innen
aufgesperrt wurde, spürte er wie sein Herz schneller klopfte. Er kam
sich plötzlich total lächerlich vor.
Dann stand Anja vor ihm, und er bereute sofort, dass er gekommen
war. Nein, er konnte in ihr einfach nicht mehr diejenige sehen, die
ihn am Anfang des Studienjahres so fasziniert hatte. Er sah nur noch
die Klette.
"Niklas! ...Lange nicht gesehen, hm? Naja, ich war in letzter Zeit
nicht oft auf der Uni. Komm nur rein. Juliane hat leider abgesagt,
und Valentin kommt vielleicht später noch nach, aber er weiß nicht
ob er's schafft..."
Er hasste sie. Es war alles klar. Sie hatte niemanden außer ihn für
heute Abend eingeladen, sie wollte nur ihn sehen, sie wollte ihn
noch immer um jeden Preis zurückhaben und würde heute um ihn
kämpfen. Warum war er nur so ein Vollidiot und hatte ihre Einladung
angenommen? Was machte er eigentlich hier? Der Gedanke an Luise
erfüllte ihn in sehnsüchtiger, geradezu schmerzhafter Weise. ‚Luise,
bitte rette mich...'
Doch es war nur Anja da; Anja, die ihn noch genauso anekelte wie
kurz vor dem Ende ihrer Beziehung, während er ihr in ihr Zimmer
folgte und mit ihr einen mehr als verkrampften Small Talk betrieb.
Am liebsten hätte er auf der Stelle umgedreht und wäre nachhause
gegangen, aber dafür reichte sein Mut nicht aus. Er beschloss den
Abend so gut wie irgendwie möglich hinter sich zu bringen, bei der
erstbesten Gelegenheit abzuhauen und Anja, wenn möglich, noch einmal
klar zu sagen, dass sie sich definitiv keine Hoffnungen mehr auf ihn
zu machen brauchte.
Die beiden saßen nebeneinander auf dem Sofa, schauten sich einen
Film an und tranken Tee mit Rum. Zum Glück war der Film wirklich gut
und derart spannend, dass Niklas eine Zeitlang abgelenkt war und
fast vergaß, bei wem er hier auf dem Sofa saß. Irgendwann ging der
Film zu Ende, die beiden unterhielten sich noch eine Zeitlang
darüber -- es erinnerte Niklas an ihre früheren angeregten
Diskussionen -- dann trat ein kurzer Moment der Stille ein, auf den
Niklas gewartet hatte. Er stand schnell auf und schickte sich an zu
gehen.
"Nein, Niklas, warte noch...!" Es war unvermeidlich. Er wusste, dass
sie mit ihm reden wollte.
Sein Ziel bestand mittlerweile darin, hier raus zu kommen, bevor sie
in Tränen ausbrach, und er wusste, dass das bald passieren würde.
Anja ließ sich auf ihr Bett fallen und seufzte. "Niklas, ich
akzeptiere deine Entscheidung. Es ist nicht leicht für mich, aber
ich sehe ein, dass du eine neue Freundin hast und ... mit ihr..."
"Anja, ich gehe jetzt besser. Du weißt, es hat keinen Sinn..."
"Ich denke oft an die Zeit, als wir uns kennenlernten" unterbrach
sie ihn. "Nicht ich, sondern du bist damals auf mich zugegangen,
hast mich angesprochen, hast mich zum ersten Mal gefragt, ob wir
nach der Vorlesung noch etwas trinken gehen wollen... du warst so
süß..."
"Bitte lass es, es ist vorbei..." Er stand unschlüssig vor ihrem
Bett und wollte sich zum Gehen wenden.
"Nein, es ist nicht vorbei, Niklas. Ich weiß doch genau, dass ich
dir nicht gleichgültig bin. Vielleicht liebst du mich nicht so sehr
wie ich dich, aber ich weiß, dass du auch viel für mich empfindest."
"Anja, wenn du mich zwingst es zu sagen: ich empfinde nichts mehr
für dich! Ich hab eine Freundin, die ich liebe, und, ja, ich hatte
damals Gefühle für dich, und wie die ganze Sache verlaufen ist, hat
mir sehr leid getan, aber es ist einfach vorbei!"
Er merkte, wie er sie wieder verletzt hatte. Die Stimmung im Raum
war ihm mittlerweile unerträglich geworden.
"Bitte, lass mich gehen" fügte er leise hinzu.
Anja erhob sich, machte Anstalten aufzustehen, blieb dann aber
direkt vor ihm auf der Bettkante sitzen.
Sie schaute ihm in die Augen. "Ich glaube es einfach nicht", sagte
sie. "Ich glaube nicht, dass du nichts mehr für mich empfindest".
Und mit diesen Worten griff sie ihm zwischen die Beine.
Niklas war einfach perplex. Das war das letzte, was er in dieser
Situation erwartet hätte. Es war auch das letzte, wozu er jetzt
aufgelegt war. Er glaubte einen Moment lang, sich diese letzten
Sekunden nur eingebildet zu haben. Das konnte doch wohl nicht
sein...
Als er sich, von seinem Schreck erholt, zur Tür wenden wollte,
spürte er, wie Anja ihm eine Hand um die Taille gelegt hatte. Sie
hielt ihn erstaunlich fest umklammert und hinderte ihn am Weggehen.
Was zum Teufel ging denn hier ab?
"Anja, was soll das jetzt, bitte -- ich muss gehen!" Jetzt waren
Anjas Hände an der Vorderseite seiner Jeans, sie öffneten geschickt
seinen Gürtel, dann den Reißverschluss, und die Jeans rutschte ihm
hinab bis zu den Knöcheln. All das war blitzschnell gegangen.
Niklas brauchte ein wenig, bis er realisierte, was hier vorging. Er
versuchte sich zu wehren und sagte: "Anja, was machst du da, bitte
erspare uns beiden die Peinlichkeit..."
"Schhhh..." beruhigte sie ihn, wie man ein kleines Kind beruhigt.
Sie hatte ihn wieder umklammert. Durch den Stoff seiner Unterhose
spürte er, wie sich ihre Hände an seinen Po drückten. Er konnte sich
nicht bewegen...
Dann zog sie ihm mit einer zügigen Bewegung die Unterhose hinunter.
Jetzt reichte es Niklas. "Hey, sag mal spinnst du!?" rief er. Die
ganze Sache war ihm furchtbar peinlich. Aber er war gleichzeitig
auch total verblüfft -- von Anja hätte er sowas in seinen kühnsten
Träumen nicht erwartet!
Nun stand er mit entblößter Männlichkeit vor ihr. Sein Hodensack
hing fast weiter nach unten als sein Glied - klein, schlaff, weich,
unbeschnitten, nicht viel mehr als ein Wurm.
Anja griff ohne zu zögern nach dem Wurm und drückte ihn leicht. Dann
beugte sie sich nach vorne und der Wurm verschwand so wie er war in
ihrem Mund.
Niklas spürte plötzlich eine ungeahnte Wärme. Noch immer jedoch
überwog das Gefühl der Peinlichkeit. Er leistete nach wie vor
Widerstand und wand sich in ihren Händen, die jetzt wieder seinen Po
umklammerten. "Bitte, Anja, lass das, wir werden es beide
bereuen..."
Anja schien nichts zu hören. Nachdem sie seinen schlaffen Penis
einige Sekunden ganz ruhig in ihrem Mund gehalten hatte, wie um ihn
allmählich an die Umgebung zu gewöhnen, ließ sie ihn kurz
herausgleiten und schob langsam mit zwei Fingern die Vorhaut zurück.
Dann nahm sie ihn wieder in den Mund, und Niklas konnte ein leichtes
Aufstöhnen nicht verhindern.
Es war ein wahnsinnig angenehmes Gefühl - und neu für ihn, da das
bislang kein Mädchen bei ihm gemacht hatte. Von Luise hatte er es
sich insgeheim schon länger gewünscht, aber nicht zu fragen getraut,
und sie selbst hatte noch keine Anstalten dazu gemacht.
Aber Anja...! Wie war das möglich? War das tatsächlich die Frau,
deren Einstellung zur Sexualität vor zwei Monaten noch in etwa der
einer Nonne aus dem 19. Jahrhundert entsprochen hatte? Sie hatte
sich damals nicht mal getraut, einen Blick auf sein bestes Stück zu
werfen, und nun nahm sie es in den Mund, als sei es das
Selbstverständlichste der Welt. Unfassbar...
Nachdem Anja seinen Penis wiederum eine Zeitlang einfach in ihrer
Mundhöhle gewärmt hatte, begann sie nun allmählich sanft an seiner
Eichel zu saugen.
Niklas stöhnte wieder. Es fühlte sich so warm und intensiv an...
Aber das Ganze war sowieso nur ein Traum. Es musste einfach ein
Traum sein!
,Woher kann sie das nur, jetzt auf einmal?', fragte er sich. Und
dann dachte er an Luise und dass hier eigentlich gerade etwas ganz
Schlimmes vorging. Doch der Gedanke verschwand wieder, und bald
konnte er überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen, sondern nur
noch das traumhafte Gefühl genießen, welches Anja ihm bescherte.
Sein Penis war längst nicht mehr schlaff. Anja hörte nicht auf zu
saugen, ja es kam ihm vor, als sauge sie das ganze Blut seines
Körpers in seinen Penis. Da Niklas seinen Widerstand längst
aufgegeben hatte, löste Anja allmählich ihre Hände von seinem Po und
begann jetzt mit einer Hand seine Hoden zu massieren.
Niklas musste sich sehr beherrschen um zu verhindern, dass ihm seine
Beine ihren Dienst versagten...
Anja blies auf eine ruhige und sehr zärtliche Art. Immer wieder
wechselte sie die Technik: Mal ließ sie seinen Penis in ihren Mund
hinein- und wieder hinausgleiten, dann wieder behielt sie ihn im
Mund und saugte hingebungsvoll an der Eichel.
Dabei schaute sie ihm immer wieder in die Augen, was ihn wahnsinnig
erregte -- war es doch noch der Blick, der ihn anfangs an ihr so
fasziniert hatte...?
Die Minuten vergingen, ohne dass Anja die Sache besonders
beschleunigt hätte. Vielleicht war es Einbildung, aber sie erschien
Niklas auf eine gewisse Weise als absolut glücklich und im reinen
mit sich selbst, während sie ihm völlig entspannt den Schwanz blies
und sich dabei alle Zeit der Welt ließ.
Sie schien es genauso zu genießen wie er. Und Niklas genoss es
mittlerweile in vollen Zügen. Er, der Denker, hatte für einmal das
Denken aufgegeben und schaffte es mittlerweile, sich ganz
hinzugeben. Er unterdrückte sein Stöhnen nicht mehr. Fasziniert
betrachtete er, wie sein Schwanz -- der längst vollkommen steif war
-- von Anjas Mund aufgenommen wurde, immer tiefer hineinglitt, bis
zum Anschlag darin verschwand und dann langsam wieder zum Vorschein
kam. Und das immer und immer wieder... Er spürte eine
unbeschreibliche Lust, die er noch nie zuvor erlebt hatte. Sein
ganzer Körper schien zu beben, und sein Herz klopfte wie wild. Die
einzigen Sorgen machten ihm seine Beine, die ihm manchmal regelrecht
einzuknicken drohten...
Irgendwann spürte Niklas, dass er sich allmählich dem Höhepunkt
näherte. Lange würde er diese Behandlung nicht mehr aushalten. Anja
schien dies von selbst zu bemerken, denn kurze Zeit später entließ
sie seinen Penis aus ihrer warmen Mundhöhle und verlegte sich auf
Zungenspiele.
Sie leckte seine Hoden, dann den Schaft entlang nach oben bis zur
Spitze. Dann schaute sie Niklas wieder in die Augen. Sie bot ein
wahnsinnig verführerisches Bild: der halb geöffnete Mund ganz knapp
vor seiner Penisspitze, auf der er jetzt ihren heißen Atem spürte,
und ihre dunklen Augen, mit denen sie ihn anblickte...
"Na, wie sieht es jetzt aus mit deinen Gefühlen?", hauchte sie. Ihre
Zunge glitt über seine Eichel. "Empfindest du jetzt etwas?" Sie
führte ein paar schnelle Zungenschläge an seinem Vorhautbändchen
aus. Niklas gab als Antwort ein lustvolles Aufstöhnen von sich.
"Hm, empfindest du jetzt etwas für mich...?" Dann schlossen sich
ihre Lippen wieder um seine Eichel.
Sie lutschte weiter, und das gleiche Spiel wiederholte sich noch
mehrere Male: immer wenn Niklas kurz vorm Kommen war, nahm sie
seinen Schwanz aus ihrem Mund und bearbeitete ihn von außen mit
ihrer Zunge, was erregend war und vor allem wahnsinnig geil aussah,
ihn aber nicht bis zum Äußersten reizte.
Anja wollte die Sache so lange hinauszögern wie es ging. Einerseits
quälte sie Niklas damit, andererseits wollte auch er dieses
einmalige Gefühl, diese unglaubliche Erregung so lange wie möglich
genießen. So hielt sie ihn lange Zeit kurz vor der Explosion, bevor
sie ihn endlich erlöste. Als es dann soweit war, verlor Niklas den
letzten Rest an Beherrschung.
Während Anja seinen Schwanz immer schneller und kräftiger in sich
hineinsaugte und Niklas damit zum Orgasmus brachte, ging sein zuvor
schon immer lauter gewordenes Stöhnen in ein Schreien über. Niklas
schrie, er schrie hemmungslos seine Lust heraus, in dem Moment war
ihm alles egal, die ganze Welt um ihn verschwand und er bestand nur
noch aus Wollust.
Und Anja blickte ihn ruhig an mit ihren großen dunklen Augen, in
denen jetzt ein Hauch von Traurigkeit lag, während sein Sperma in
heftigen, nicht enden wollenden Fontänen gegen ihren Gaumen spritzte
und ihren Mund regelrecht überflutete. Sie bemühte sich, alles zu
schlucken, aber es war so viel, dass ihr einiges aus den Mundwinkeln
über das Kinn rann und von dort auf den Boden tropfte.
Sie wischte es nicht ab.
Als es vorbei war, ließ Niklas sich automatisch auf Anjas Bett
fallen. Eigentlich hatte er ja gehen wollen... aber das war ihm
momentan aus rein physischen Gründen nicht möglich. Es waren seine
Beine, die sich wie Butter anfühlten und die zumindest eine kurze
Erholungspause nötig hatten. Niklas legte sich auf den Rücken, Anja
saß neben ihm auf der Bettkante. Seine Körpermitte war immer noch
entblößt, und Anja hatte ihn auch jetzt nicht "entlassen": ihre Hand
ruhte auf seinen Hoden, und mit Daumen und Zeigefinger hatte sie
einen Ring um die Wurzel seines allmählich erschlaffenden Penis
gebildet.
Eine Zeitlang sagte keiner etwas. Niklas spürte, wie seine Gedanken
wiederkehrten, ja geradezu auf ihn einstürzten. Er hatte das Gefühl,
gerade einen großen Fehler gemacht zu haben. Das Bild von Luise
tauchte in ihm auf. Er fühlte sich einfach schäbig...
Dann sah er Anja neben sich sitzen. Sie blickte liebevoll auf ihn
herab. Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass sie sich immer noch
Hoffnungen auf ihn machte, und dass er diese einfach nicht würde
erfüllen können, was auch immer sie dafür tun würde.
Und das war ja jetzt gerade nicht eben wenig gewesen... Wieder
fragte er sich, was mit Anja plötzlich los war. Sie hatte ihn wie
eine Frau befriedigt, die bis in jedes Detail alles wusste, was es
in dieser Hinsicht zu wissen gab. Es war klar, dass das nicht ihr
erster Blowjob gewesen war, und auch nicht ihr zweiter. Es gab im
Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie hatte damals, in jener
ersten und letzten Nacht mit Niklas, nur geblufft -- aber warum
hätte sie das denn tun sollen? Oder aber sie hatte seit der Zeit mit
Niklas Erfahrungen gesammelt. Hatte sie denn seither einen Freund
gehabt? Aber warum war sie dann Niklas bis heute nachgelaufen?
Als hätte sie seine Gedanken erraten, lächelte Anja ihn an. "Denk
nicht soviel nach, Niklas", sagte sie. "Vertraue mehr auf deine
Gefühle... lass sie doch einfach zu..."
Niklas wusste nicht, was er sagen sollte. Er räusperte sich.
"Willst du jetzt immer noch sagen, dass du nichts für mich
empfindest?" fragte Anja erneut.
Niklas antwortete schließlich stockend: "Anja - du weißt genau, dass
das eine rein körperliche Sache ist... ich - ich wollte es nicht,
das weißt du... und es geht einfach nicht... mit uns... obwohl das
jetzt ... sehr schön war... ach verdammt!" Er fühlte sich plötzlich
schmutzig und elend.
"Schhhh..." beruhigte Anja ihn wieder. Sie hatte jetzt die absolute
Kontrolle über die Situation.
Wieder schwiegen sie eine Zeitlang. Anja sah Niklas lange ins
Gesicht. Schließlich flüsterte sie, kaum hörbar: "Ich liebe Dich"...
Niklas wurde immer unbehaglicher zumute. Wie konnte er diesem
Schlamassel nur entkommen?
"Bitte", begann er leise. "Versuch nicht, mich zu erpressen. Ich
will dich nicht verletzen, aber... ich muss jetzt gehen". Er erhob
sich und wollte aufstehen, aber Anjas flinke Hand war nach oben
gewandert, und sie drückte jetzt mit drei Fingern seine Eichel
zusammen -- nicht gerade fest, aber doch so, dass ihn ein ganz
leichter Schmerz durchfuhr.
"Du willst doch noch nicht gehen!", sagte sie und drückte wieder
seine Eichel. Niklas gab auf. Sie ließ ihn jetzt nicht gehen. Sie
hatte ihn buchstäblich in der Hand, und zwar an seiner
empfindlichsten Stelle. Er ließ sich wieder auf den Rücken fallen,
während sie das Drücken etwas sanfter, aber in ganz kurzen Abständen
wiederholte. Allmählich fühlte Niklas seine Erregung zurückkehren.
"Wer redet denn von Erpressung?" fragte Anja. Sie war dazu
übergegangen, seine Vorhaut sanft vor- und zurückzuschieben. Niklas
spürte, wie sich sein Penis allmählich wieder versteifte.
"Niklas, mein Schatz... Ich liebe Dich. Du weißt doch, dass wir
zusammengehören..." Sie redete zärtlich auf ihn ein, während ihre
Hand ihn langsam masturbierte.
"Du kannst das jeden Tag haben...", fuhr sie fort. "Wie oft macht
das deine Freundin für dich? Ich würde es jeden Tag für dich
machen...so oft, wie du willst."
Niklas sagte nichts. Stattdessen beobachtete er, wie sie mit seinem
Penis umging. Sie führte die eigentlich simple Bewegung mit einer
unglaublichen Sicherheit und Perfektion aus. Niklas selbst hätte es
nicht besser gekonnt. Sie wichste langsam, aber genau mit dem
richtigen Druck.
Nach unten hin bremste sie die Bewegung ab. Die Art, wie ihre Hand
dann am unteren Anschlag kurz innehielt und die Haut einen Moment
lang vollkommen gespannt war, jagte Niklas jedes mal einen
elektrisierenden Schauer durch den Körper und ließ ihn kurz die Luft
anhalten.
Anja machte das so gut, als ob sie es regelrecht geübt hätte...
Niklas musste plötzlich an Valentin denken. Der Frauenversteher...
War es denn möglich, dass sie mit ihm...? Zu ihrem Charakter würde
so eine Idee vielleicht sogar passen. Aber... nein -- das war doch
unmöglich. Ein absurder Gedanke, geradezu pervers.
Niklas' Penis war längst wieder vollkommen steif. Anja hatte sie
sich jetzt über ihn gebeugt und
betrachtete ihn aus nächster Nähe wie hypnotisiert, während sie
weiterhin die Vorhaut auf- und ab bewegte.
"Er ist wunderschön!", hauchte sie. Niklas hatte wieder leise zu
stöhnen begonnen. Sie hatte ihn so erregt, dass er alleine durch ihr
langsames Wichsen schon wieder kurz vor dem Orgasmus stand. Anja
beugte sich vor und leckte ihm ein Lusttröpfchen von der Eichel,
während sie ihm tief in die Augen schaute. Dann zog sie seine
Vorhaut bis zum Anschlag nach unten, hielt seinen Penis senkrecht in
die Luft und senkte ganz langsam ihren Kopf. Als ihre Lippen nur
noch ganz knapp von seiner Eichel entfernt waren, hielt sie noch
einmal inne und begann die Hand, die seine Vorhaut zurückgezogen
hielt, auf- und ab zu bewegen -- diesmal schnell, aber nur wenige
Millimeter weit. Niklas stöhnte laut auf, da ihn das so erregte.
Nach ein paar Sekunden stoppte sie abrupt - hätte sie auch nur zwei
Sekunden lang weitergemacht, hätte Niklas abgespritzt. Sie
wiederholte diese schnelle, aber kleinräumige Wichs-Bewegung
mehrmals, stoppte sie aber immer nach kurzer Zeit wieder ab.
Niklas glaubte zu platzen. Er hatte das Gefühl, dass noch mehr Blut
in seinen Penis geschossen war. Mittlerweile war sein Schwanz
steinhart, und die Eichel hatte eine dunkelrot-violette Färbung
angenommen.
Dann nahm sie ihn endlich in den Mund, und Niklas glaubte in den
siebten Himmel zu entschweben. Sie blies ihn wieder wie zuvor --
sanft und liebevoll -- und musste das noch einige Male unterbrechen,
um das Vergnügen für beide Seiten zu verlängern.
Nach einigen Minuten war es wieder soweit. Niklas ejakulierte erneut
heftig in Anjas Mund und schrie dabei hemmungslos, und Anja
schluckte erneut Niklas' Samen. Diesmal ließ sie sich keinen Tropfen
davon entgehen.
Danach spürten plötzlich beide, dass sich ein Stimmungswechsel
vollzogen hatte und dass Niklas jetzt besser bald gehen sollte. Anja
blieb auf ihrem Bett sitzen und schaute ihm dabei zu, wie er sich
wortlos und ziemlich hastig anzog. Diesmal hinderte sie ihn nicht
daran. Niklas dachte in dem Moment gar nicht viel, außer dass er so
schnell wie möglich weg von hier wollte. Er war durcheinander. Er
musste jetzt einfach hier raus, denken konnte er später.
Anja kam ihm nach, als er aus dem Zimmer hinaus und zur Wohnungstür
stolperte. Sie blieb vor ihm stehen, dann schwiegen sie sich einige
Sekunden lang an.
"Wirst du wiederkommen?" fragte sie leise. Das war alles.
"Ich weiß nicht" murmelte Niklas. "Ich - ich muss nachdenken... Rufe
dich an". Er zögerte einen Moment lang, umarmte Anja kurz und
flüchtig und verließ dann die Wohnung.
Anja schaute ihm nach, wie er die Treppen hinunter hastete, dann
ging sie in ihr Zimmer und sah aus dem Fenster. Sie sah Niklas, wie
er aus dem Haus kam und mit unsicherem Gang die Straße hinabging.
Anja stand noch lange am Fenster und blickte hinaus, als Niklas
schon längst um eine Hausecke verschwunden war. An ihrem Kinn klebte
noch immer ein wenig Sperma.
Obwohl Niklas ein Ziehen in seinen Beinen spürte -- auch seine Knie
fühlten sich noch immer wackelig an, und am nächsten Morgen sollte
er sogar mit einem Muskelkater aufwachen -- machte er auf seinem Weg
nach Hause mehr als nur einen Umweg und wanderte lange ziellos durch
die Straßen.
Tausende Dinge gingen ihm durch den Kopf. Nachdem er realisiert
hatte, was da eigentlich vorgefallen war, drängte sich vor allem ein
beängstigender Gedanke in den Vordergrund seines Bewusstseins: ,Was
ist, wenn Luise das alles erfährt? ... Luise darf es auf keinen Fall
erfahren...'
Er fühlte sich doppelt schuldig, sowohl Luise als auch Anja
gegenüber. Für ihn war klar, dass er Luise soeben betrogen hatte.
Den Gedanken, dass die Sache mit Luise womöglich sowieso schon
beendet war, unabhängig von dieser Sache, wischte er schnell
beiseite.
War das eben nur ein verzweifelter Versuch Anjas gewesen, ihn
zurückzubekommen, oder konnte es sein, dass wirklich vorhatte, ihn
irgendwie zu erpressen? Wäre es denkbar, dass sie Luise alles
erzählte? Die beiden kannten sich nicht wirklich, aber wenn sie
wollte, würde Anja leicht Luises Nummer oder Adresse herausfinden
können.
War es am Ende besser, dass er selbst Luise so bald wie möglich die
Wahrheit sagte? Schließlich hatte er es ja wirklich nicht gewollt.
Es war im Grunde fast eine Vergewaltigung gewesen, wenn auch eine,
die in dieser Form wohl eher selten vorkam.
Aber wer würde ihm das schon glauben? Luise sicherlich nicht. Und --
rein physisch wäre es ihm doch sehr wohl möglich gewesen, sich von
Anja loszureißen, wenn nötig auch mit Gewalt. Verdammt noch mal,
hätte er das nicht eigentlich tun müssen?
Aber es war überwältigend schön gewesen, das musste er sich
eingestehen... Mehr als das: in rein körperlich-sexueller Hinsicht
war das, was er eben erlebt hatte, wohl die intensivste Erfahrung
seines bisherigen Lebens gewesen. Warum nur war es nicht Luise
gewesen, mit der er die Erfahrung gemacht hatte? Dann wäre alles so
klar, so schön und einfach...
Er fragte sich, wo Luise wohl gerade war. Ob sie an ihn dachte...
Dann dachte er an Anja. Was ging in dieser Person wohl vor? Er hatte
in seinem Kopf verschiedene Bilder von Anja, die sich einfach nicht
in Einklang bringen ließen. Zum einen das der guten Freundin und
Gesprächspartnerin aus der Anfangszeit, welches Niklas bis heute am
sympathischsten war. Dann das der komplexbeladenen Liebhaberin, die
anscheinend alle ihre Sehnsüchte auf ihn projiziert hatte und sich
immer verzweifelter an ihn klammerte.
Heute war ein drittes Bild dazugekommen, mit welchem er niemals
gerechnet hatte: Anja als sexuelle Dienerin, die ihn in einer
beruhigenden, ja fast mütterlichen und doch sehr sinnlich-erotischen
Art und Weise befriedigt hatte, wie Niklas es noch niemals erlebt
hatte.
Er schreckte aus seinen Gedanken hoch und merkte plötzlich, dass
sich sein Penis längst wieder versteift hatte. Minutenlang war er
mit einer vollen Erektion durch die Straßen gelaufen.
"Und, wie ist es gelaufen?"
"...Valentin! Es ist schön, dich zu hören."
Anja lag wieder auf ihrem Bett. Ihr Handy lag auf dem Nachttisch,
und der Lautsprecher war eingeschaltet. "Ja, er ist jetzt weg. Ich
weiß nicht, wie es weitergehen wird..."
"Moment mal, alles der Reihe nach: Ist alles so gelaufen wie
geplant? Hast du ihm einen geblasen?"
"Ja, ich hab ihm einen geblasen, zweimal sogar, und es hat ihm auch
gefallen. Ich glaube, ich hab ihn zuerst ziemlich schockiert..." Sie
kicherte. "Valentin, danke für alles, für alle Tipps und so weiter.
Das Training hat sich wirklich ausgezahlt."
"Ach komm, hör doch auf. Ich bin derjenige, der sich bedanken muss.
Schließlich hab ich es wahnsinnig genossen. Aber erzähl mal: wie war
es genau? Gab es keine Pannen? Keine Probleme?"
"Nun, am Anfang war es ein bißchen schwierig. Es ergab sich keine
Gelegenheit; erst als er schon beim Weggehen war, hab ich ihn dran
gekriegt. Ich hatte zuerst Angst, dass er vielleicht keinen
hochkriegen würde. Und er hat sich am Anfang ziemlich gewehrt. Ich
hab ihn dann einfach mal zum Aufwärmen in den Mund genommen, und
nach kurzer Zeit ist er schon größer geworden. Danach war alles ganz
einfach -- Niklas ist zerschmolzen wie ein Stück Butter in der
Pfanne..."
Valentin lachte. "Na das wundert mich nicht. Ich hab dir doch
gesagt, dass du ein Naturtalent bist! Das hab ich sofort gemerkt. Ab
dem dritten Mal war deine Blastechnik nahezu perfekt. Wenn dazu noch
das Selbstbewusstsein gekommen wäre, die Freude an der Sache..."
"Oh, bei Niklas war das keine Frage", unterbrach sie ihn. "Er ist
der Mann, den ich liebe! Das wusste ich seit ich ihn kenne, und
heute hab ich es wieder den ganzen Abend über gespürt. Ich liebe
alles an ihm, seine Stimme, die Art sich zu bewegen, einfach alles!
Ich hab mich wahnsinnig gefreut endlich seinen Schwanz
kennenzulernen, und es war für mich dann das größte Glück zu spüren,
wie ich ihn erregen kann. Oh, wie er gestöhnt hat! Wie er geschrien
hat! Und nur ich habe es verursacht. Das hat mich wirklich glücklich
gemacht... Er hat mir zweimal in den Mund gespritzt, und ich habe es
genossen alles zu schlucken... auch wenn es ein bißchen bitterer
schmeckt als bei dir... und ich sage dir, sein Schwanz ist so süß!
Ich hab mich in ihn genauso verliebt wie in Niklas. Er ist ein wenig
schmäler als deiner, dafür eine Spur länger. Unten am Schaft ist er
ganz fest und kompakt, aber oben... die Haut an seiner Eichel ist so
wahnsinnig zart und sensibel, sie fühlt sich so wunderbar samtig an
-- ich konnte einfach nicht genug davon bekommen!"
"Na, du klingst ja ziemlich begeistert... Nur, wie geht's jetzt
weiter? Glaubst du, dass er zurückkommt?"
"Bitte frag mich jetzt nicht, ich weiß es nicht. Ich wünsche es mir
so sehr... Ich weiß nur, dass ich ihn liebe und dass es heute
wunderschön mit ihm war."
"Ich geb dir nur einen Tipp, Mädel: Warte ein bißchen ab,
bombardiere ihn nicht wieder mit Anrufen wie damals. Männer mögen
das nicht. Gib ihm ihm einige Tage, bis er sich von selbst meldet --
ich glaube er wird es tun. Wenn nicht, dann können wir uns wieder
was überlegen. Aber halte erstmal aus."
"Oh, danke Valentin, du bist so gut... Ich weiß nicht, was ich ohne
dich täte... Danke vielmals."
Es dauerte vier Tage, bis der Anruf von Niklas kam. In den letzten
vier Nächten hatten sowohl er als auch Anja wenig geschlafen und
dafür sehr viel nachgegrübelt.
Dann hatte er seine Gedanken halbwegs geordnet, hatte sich genau
überlegt was er sagen würde, und schaffte es schließlich beim
dritten Versuch, nicht aufzulegen bevor es zu läuten begann.
Es war kein angenehmes Telefongespräch. Eigentlich redete nur
Niklas, und das zum Teil ziemlich stotternd. Seine Meinung habe sich
nicht geändert, das habe er ihr auch schon gesagt, und es tue ihm
sehr leid, weil er sie nach wie vor sehr gern habe... die Sache vom
letzten Samstag sei ihm unangenehm, auch wenn es sehr schön gewesen
sei... aber er habe das Gefühl sie ausgenützt zu haben... Anja müsse
verstehen, dass Sex eine Sache war, Liebe eine andere... er habe
eine neue Freundin, aber auch wenn das nicht so wäre, könne er nicht
mehr mit Anja zusammenkommen... sie sei ein attraktiver Mensch, und
es gäbe so viele Männer auf der Welt, die genau so etwas wie sie
suchten...
Im Grunde sagte er ihr nichts Neues. Doch er spürte, wie am anderen
Ende der Leitung schweigend eine Welt zusammenbrach. Er konnte
nichts tun als aufzulegen und die ganze Sache zu vergessen, oder, da
das nicht möglich war, zumindest zu verdrängen.
Er stand hinter jedem Wort, das er gesagt hatte. Er war überzeugt,
sich absolut richtig zu verhalten. Und doch hatte er Anja erst
angerufen, nachdem Luise sich endlich gemeldet hatte und in
reumütigem Ton ein Treffen für den nächsten Tag vorgeschlagen hatte.
Anja kippte in ihre nächste Phase der Verzweiflung und des
Selbstmitleids. Diesmal war es zunächst noch schlimmer als beim
ersten Mal, da sie Niklas nicht mehr kontaktieren konnte -- auf der
Uni waren jetzt Semesterferien, und er hatte seine Handynummer vor
kurzem gewechselt -- rein zufällig, versteht sich.
Noch immer war Niklas ihr Liebes- und gleichzeitig Hassobjekt. Sie
war absolut sicher, dass sie mit ihm zusammen glücklich sein würde.
Niemals kam sie auf die Idee, dass ihr Kummer nicht durch jemand
anderen, sondern durch sie selbst und ihre Einstellung zu den Dingen
und dem Leben im allgemeinen verursacht worden sein könnte.
Drei Wochen später, an einem regnerischen Sonntagnachmittag, kam der
Wendepunkt. Anja saß mit ihrem besten Freund Valentin in seiner
Wohnung. Wieder einmal hatte sie sich bei ihm ausgeweint, und er
hatte sie getröstet und ihr Mut gemacht. Ihr Selbstbewusstsein war
noch immer völlig am Boden. Sie tat Valentin wahnsinnig leid. Was
war aus seiner munteren, intelligenten und redegewandten Freundin,
die er seit Kindertagen kannte, nur geworden? Sie hatte zwar immer
schon einen leichten Hang zum Depressiven gehabt, aber dass sie sich
so sehr selbst zerstörte, konnte er nicht mitansehen.
Irgendwann kam die Sprache auf das Thema, das zwischen den beiden in
letzter Zeit fast ein Tabu geworden war, nämlich die paar Treffen
zwischen ihnen, die sie damals augenzwinkernd als "Trainingsstunden"
bezeichnet hatten und in denen Valentin ihr all das gezeigt hatte,
was sie dann wenige Tage später bei Niklas angewendet hatte... Die
Sache damals war ihre Idee gewesen, denn sie hatte irgendwo gelesen,
dass ein Mann es mit fast jeder Frau aushalten könne, wenn diese nur
eine gute und leidenschaftliche Bläserin war.
Valentin hatte zuerst entrüstet abgelehnt, aber Anja hatte sich
nicht abbringen lassen. Schließlich hatte er mit einigem Bauchweh
eingewilligt. Aber dann war er voll auf seine Kosten gekommen...
Doch mittlerweile bereute er all das.
"Anja, ich muss mit dir nochmal wegen dieser Sache damals reden",
sagte er jetzt. "Ich habe das Gefühl, dass es seitdem auch zwischen
uns nicht mehr so ist wie früher. Ich weiß, dass es deine Idee war,
aber ich hätte das einfach ablehnen müssen. Weißt du, ich habe das
Gefühl, dich total ausgenützt zu haben. Ich bin da nicht viel besser
als Niklas. Du hast uns beide hingebungsvoll verwöhnt; ich habe es
genossen, Niklas hat es genossen, aber was hattest du davon? Du
sitzt jetzt da und bist vollkommen unglücklich. Das tut mir so
leid... Anja, hör zu: ich hab dich damals schon gefragt, ob ich im
Gegenzug auch etwas für dich tun darf. Du wolltest es nicht, aber
ich frage dich jetzt noch einmal... Ich glaube, das könnte für dich
eine Möglichkeit sein, aus deiner Verzweiflung herauszufinden."
Er meinte es absolut ehrlich und hegte keinerlei Hintergedanken. Er
sah sich selbst nach wie vor als den guten Freund, der nichts als
helfen wollte. Er wollte Anjas gestörtes Verhältnis zur Sexualität
wenigstens ein wenig verbessern, wollte ihr zeigen, dass nicht nur
Männer, sondern auch Frauen sexuelle Wesen sind. Dass man nicht nur
Lust schenken, sondern diese auch empfangen und selbst empfinden
kann. Er wollte Anja helfen, ihr Selbstwertgefühl aufzubauen. Er
wollte, dass sie endlich lernte, ihren Körper und damit sich selbst
zu akzeptieren.
Anja schwieg eine Zeitlang. Dann geschah das, womit Valentin nicht
gerechnet hatte. Sie sah ihn ruhig an und sagte: "Okay"...
Anja ließ es zu, dass Valentin sie auszog, dass er sie streichelte,
dass er sich zwischen ihre Beine legte, auch wenn sie zunächst noch
Scheu davor hatte, diese zu spreizen. Als er sie dann vorsichtig zu
lecken begann, verspannte sie sich zuerst, aber mit der Zeit und mit
Hilfe von Valentins beruhigenden Worten fühlte sie sich immer wohler
und begann irgendwann zu registrieren, wie angenehm das Gefühl
eigentlich war.
Dieser Nachmittag war für Anja wie eine Erleuchtung. Sie blieb bis
zum späten Abend bei Valentin und erlebte in dieser Zeit Dinge, die
sie sich bis dahin nicht hätte vorstellen können. Sie, die noch nie
zuvor einen Orgasmus gehabt hatte, kam an diesem Nachmittag nicht
weniger als neunmal; davon siebenmal durch Valentins Zungen- und
Fingerfertigkeit, und zweimal durch ihre eigene Hand, was vielleicht
die noch wichtigere Entdeckung für sie war. Mit Valentins Hilfe
entdeckte sie ihre Klitoris und erfuhr erstmals die ungeahnte Lust,
welche ihr dieses unscheinbare Körperteil zu schenken imstande war.
Anja lernte, wie schön und durchdringend das Gefühl eines Orgasmus
sein konnte, und wie angenehm es war, einfach nur passiv dazuliegen
und befriedigt zu werden. Sie erfuhr aber auch, wie herrlich es war,
sich mit eigenen Händen großartige Gefühle zu verschaffen.
Als sie irgendwann einfach nicht mehr konnte und sich fürs erste von
Valentin verabschiedete, fühlte sie sich wie ein neuer Mensch.
Ab diesem Zeitpunkt traf sie sich fast jeden Tag mit Valentin, und
die Treffen waren ein einziges Lecken, Blasen und Wichsen. Nach nur
drei Tagen war Anja dann bereit für den ersten Geschlechtsverkehr
ihres Lebens. Sie schrie kurz auf, als Valentins Penis ihr
Jungfernhäutchen durchstieß, sie stöhnte, während er immer wieder
und immer tiefer in sie eindrang und sie das Gefühl bekam, ganz
ausgefüllt zu werden, und sie war total glücklich, als es ihnen
beiden fast gleichzeitig kam und Valentin seinen Samen in sie
ergoss, während ihr ganzer Unterleib pulsierte.
So wurde aus Anja und Valentin allmählich ein richtiges Liebespaar.
Aus der guten Freundschaft, die seit ihrer Kindheit zwischen ihnen
bestanden hatte, hatten sich mit dem "Umweg" über die sexuelle
Komponente allmählich immer tiefere Gefühle der beiden füreinander
entwickelt, ohne dass ihnen das gleich bewusst gewesen wäre. Sie
hätten niemals einen genauen Zeitpunkt angeben können, seit dem sie
"zusammen" waren, aber irgendwann dämmerte ihnen, dass sie sich
durch nichts mehr von anderen Liebespaaren unterschieden. Die immer
schon dagewesene emotionale Nähe war viel größer geworden; nun
hatten sie auch Sex miteinander, und das fast pausenlos; sie
vermissten einander, wenn sie nicht beisammen waren, und sie spürten
nun bei vielen Gelegenheiten auch Eifersucht in sich aufsteigen.
Das deutlichste Zeichen, das sich alles verändert hatte, waren Anjas
Gedanken an Niklas. Diese waren nämlich seit jenem Nachmittag mit
Valentin fast augenblicklich verschwunden, als hätte man einen
Schalter umgelegt. Schon wenige Tage später begriff sie selbst nicht
mehr, wie sie so dumm sein hatte können. Die ganze Vergangenheit
erschien ihr plötzlich wie ein einziger böser Traum. Nun hatte sie
Valentin und war glücklich.
Valentin seinerseits war von sich selbst überrascht. Seit frühester
Jugend hatte er sich eher zu Männern als zu Frauen hingezogen
gefühlt. Er hatte zwar auch schon Freundinnen gehabt, aber seine
Erfahrung mit Männern war weit größer. Lange Zeit hatte er sich
selbst für schwul oder zumindest bisexuell gehalten, doch nun war
alles anders. Was er für Anja empfand, war einzigartig. Zum ersten
Mal spürte er, wie stark echte Liebe war.
Ihre Beziehung festigte sich im Lauf der Zeit immer mehr, und vier
Jahre später heirateten sie. Beide waren sich sicher, den Partner
fürs Leben gefunden zu haben...
Was Niklas betraf, so hatte er mit Luise etwas weniger Glück. Er war
zwar fast ein Jahr lang mit ihr zusammen, ein Jahr voller Höhen und
Tiefen, doch dann merkte er allmählich, dass sie doch nicht die
Richtige für ihn war. Die Anpassung an ihren Lebensstil war eine
interessante Erfahrung für ihn gewesen, aber er war und blieb doch
der Mensch, der er zuvor gewesen war.
Letztlich war Luise eine zu oberflächliche Person für Niklas, den
Denker...
Nachdem es vorbei war, ging Niklas wieder auf die Suche nach der
Richtigen, und im Grunde dauerte diese Suche sein ganzes Leben lang.
Er hatte Beziehungen zu vielen Frauen, dazwischen auch immer wieder
längere Single-Phasen, doch niemals wurde er wirklich glücklich. Und
egal, mit wie vielen Frauen er ins Bett gegangen war und auf wie
viele verschiedene Weisen er Sex gehabt hatte -- das Erlebnis mit
Anja vergaß er sein ganzes Leben lang nicht.
Im Gegenteil: Während andere Erinnerungen im Laufe der Zeit
verblassten, schien sich dieser Abend mit der Zeit immer deutlicher
in sein Gedächtnis einzuprägen. Er wusste noch nach Jahrzehnten
jedes Detail der Szene. Es war seine Lieblings-Erinnerung, die er
fast ins Mythische überhöht hatte: er sah darin einen der Momente,
für den es sich am Ende gelohnt haben würde zu leben.
Und nie wieder erlebte er eine derartige Lust und eine so tiefe
sexuelle Befriedigung. Es war einfach alles zusammen, was dieses
Erlebnis im Nachhinein so einzigartig machte: dass er so etwas
damals noch nie zuvor erlebt hatte, dass er überhaupt nicht damit
gerechnet und anfangs total überrascht gewesen war; vor allem aber
war es Anjas Art - wie sie es gemacht hatte, wie sie es selbst
genossen hatte, wie er einen Moment lang das Gefühl gehabt hatte,
dass sie beide gemeinsam davon schwebten, während die Zeit
stillstand...
In schwachen Momenten, etwa nach der Scheidung von seiner ersten
Frau, war Niklas kurz davor, auf die Suche nach Anja zu gehen. Er
wollte sie ausfindig machen, zu ihr fahren, vor ihr auf die Knie
fallen und sich für alles entschuldigen, alles nur um noch ein
einziges Mal in den Genuss ihrer Liebkosungen zu kommen...
Doch er sah Anja nicht wieder. Er hatte sie seit jenem denkwürdigen
Abend nie mehr gesehen und seit dem darauffolgenden letzten
Telefonat nichts mehr von ihr gehört. Und doch verbrachte Anja sein
ganzes restliches Leben mit ihm: als Figur in seinen Träumen und als
Hauptperson in seiner liebsten Erinnerung und in fast all seinen
sexuellen Fantasien.
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